Davon träumst du
(Kurze Etappen. Umwege, Abstecher, Pannen inklusive)

1.
Einmal um den Bodensee
Per Rad? Warum nicht? Schöne Landschaft, guter Wein. Die Kinder fast erwachsen, wollen nicht mit.
Zum Abendessen Bodenseefelchen oder Bärlauchspätzle. Hast du dir verdient, wenn du in Etappen von Ort zu Ort geradelt bist. Lindau, Kressbronn, Martin Walser wohnt um die Ecke, Name da am Klingelschild, wir fahren vorbei. Zeppelinstadt Friedrichshafen, Hagnau, Meersburg, Pfahlbauten in Überlingen, Radolfzell und Stein am Rhein. Die Blumenpracht auf Mainau genießen. Südländisches Flair, die vielen Orchideen. Hinter Konstanz bist du gleich in der Schweiz. Weiter gehts. Romanshorn, Arbon Rohrschach. Schon erreichst du die zweite Alpenrepublik, machst Rast an der Uferpromenade in Bregenz, die Seebühne vor deiner Nase. Mit der Seilbahn rauf auf den Pfänder, grandioser Blick über den See, in die Alpen. Was, nach St. Gallen und auf den Säntis auch noch? Wir fahren doch Rad! Einmal um den Bodensee bitte!
In Meersburg Trubel, Verkehr in jede Richtung. Fußgänger queren, Radfahrer klingeln, Touristen wie wir, es wird rummelig und eng. Helme anschaffen, schlägt Konny vor, auf Sicherheit bedacht.
Ein schmaler Schotterweg auf Schweizer Seite, eng am Hang. Steinschlag, sieh da, wir müssen vom Rad. Eine Gerölllawine hat die Piste unpassierbar gemacht. Schiffsanlegestelle zum Glück ganz in der Nähe. Mit dem Bodenseedampfer zurück nach Konstanz. Auf dem Oberdeck Rad an Rad und alle Bänke besetzt, heute ist Sonntag. Leute, die mit uns umsteigen mussten vom Rad aufs Boot, neben denen, die nur mal eben über den See schippern wollten. Die Sonne sticht, das Wasser glitzert, hol dir keinen Sonnenbrand!
Auf der anderen Seite Meersburg. In das feuchtdunkle Gemäuer, wo die liebe Annette ihre letzten Tage verbracht hat, zieht es uns nicht. Wir bilden uns ein, kulturell nicht gänzlich uninteressiert zu sein, dennoch: sitzt du im Sattel, willst du vorwärts und weiterkommen. Strampeln, den Überblick behalten, dich nicht verzetteln. Fahrradurlaub eben, Kultur höchstens am Rande.

2.
Vorausschauend fahren
Musst du unbedingt bei dir zu Hause. Ecken, Kanten, Windungen, Kehren, dauernd kreuzen vielbefahrene Straßen. Radwege holprig, eng, in erbarmungswürdigem Zustand, wie Autostraßen eben auch.
Ich wohne im östlichen Ruhrgebiet, mache Wege im Umkreis mit dem Rad, wenn eben möglich. Und weiter weg will ich nur selten. Stolz stelle ich fest, dass meine Radkilometer übers Jahr gut und gerne herankommen an die eines mobilen Holländers. Dort fahren fast alle, hurtig und stressfrei. 23 Millionen Drahtesel, 1,3 Fitschen pro Einwohner. In Sachen Radwege sind die uns Lichtjahre voraus. Auch was Freundlichkeit betrifft, Rücksichtnahme, Vorsicht, Höflichkeit. Fitschen first, du guckst, verständigst dich, klar. Kein Auto, das dir nicht Vorfahrt gewährt.
Davon träumst du bei uns, wenn du über Huckelpisten zockelst, dich über Bordsteine quälst, stundenlang an roten Ampeln wartest. Beim Abbiegen äußerste Vorsicht, für jeden LKW bist du im toten Winkel. Pass auf, die haben extra Piktogramme auf die Plane geklebt. Radfahrer gib Acht, so in der Art. Dann stehen Mülltonnen mitten auf der schmalen Fahrbahn, Autos und Fußgänger sollen sie nicht blockieren. Oder du scherst aus, weil vor dir plötzlich eine Autotür weit aufgerissen wird. Richtungsrätsel, fahren auch gegen den Verkehr?
Fahrradfreundlich möchte jede Stadt im Umkreis sein. Zaghafte Vorstöße auf dem Papier. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Alles fürs Auto, doch wo willst du parken? Städte wie Unna mögen es kleinteilig, kleinkariert. Auf dem Radweg spürst du es. Sechzig Zentimeter breit, jede Menge Huckel, Haken und Ösen. Hochgeschobenes Klapperpflaster, Querrillen und brüchiger Asphalt. Springreiter bist du nicht, die wollen, dass es dich aus dem Sattel hebt. Aber gut für die Verdauung: Wie das Frühstück rutscht und sackt bei jeder Delle, pass auf, dass dir das Brötchen nicht wieder hochkommt. Es gibt Schlimmeres. Klapprige Mollen sammeln für Geflüchtete, damit die auch etwas beweglich sind.
Alles fürs Auto, eingebaute Vorfahrt sowieso, Parkplätze eher Mangelware. NRW-Verkehrsplaner haben sich wohl Anregung in Holland geholt, Kreisel beinah in jedem Straßenabschnitt. Pass auf, wenn du da Fahrrad fährst.
Trotzdem: in Unna kommst du auch ohne anständige Wege mit dem Rad besser, schneller zurecht als mit dem Auto und dann zu Fuß. In so einer Kleinstadt bist du im Nu überall, suchst dir einen rostigen Felgenbieger für deinen Esel, erledigst deine Besorgungen und staunst, was für tolle Großprojekte es gibt (wenn endlich Gelder fließen). Viktoria Brache, die rottet weiter vor sich hin. Altlasten im Boden wie überall. Mühle Bremme hingegen mit üppigem Parkhaus und hundert versprochenen Fahrradplätzen. Zählst du nach, kommst vielleicht auf fünfzig Felgenbieger, Auslaufmodelle von der Billigrampe. Der Investor ausgerechnet ein Holländer. Für die gerade gut genug, mag er gedacht haben. Ich fahr da sowieso nicht rein, du sollst ja mit dem Auto kommen. Hätte man das Dach nicht auch begrünen können? Solaranlagen bei der Größe! Hauptsache billig. Der Kreisverkehr, leidiges Thema, wird noch mal überdacht. Wo sind denn hier die Fahrradspuren?
Absteigen sollst du auf dem Friedhof, dabei rollst du langsam und lautlos, hörst die Vögel zwitschern, störst nicht die Ruhe, bewegst dich nicht einmal. Und nebenan im Nachbarstädtchen diskutieren sie, ob sie die menschenleere Fußgängerzone nicht für Fahrräder freigeben sollten. Der Streifenpolizist unterstellt allen Radlern durch die Bank unsicheres und rücksichtsloses Fahren. Nach dem Motto, alle rasen ohne zu gucken, bei Tempo 10 kippen alle um. Keiner, der vorausschauend fährt.
Ach ja, knapp 150 Meter misst die Fußgängerzone, im Nu schiebst du deine Jelle an Leerständen und parkenden Autos vorbei. Endlich kommt mal wer in die verschlafene Stadt, Einkaufen und Bummeln war gestern. Und du träumst von Holland und vom Bodensee.

3.
Gülle, Staub und schmucke Höfe
Mal eine Tour durchs Münsterland. Mit den Kindern von Bauernhof zu Bauernhof, Gepäck mit dem Auto vorausgeschickt. Komfort, aber ob das der wahre Jakob ist? Abendessen inklusive. Die Landschaft wenig spektakulär. Es stinkt, da bringt einer Gülle aus, nebenan wehen Staubwolken übers gemähte Feld.
Bei der ersten Rast probiert unser Ältester deinen nagelneuen Hobel aus. Ob er das schon schafft, an die Pedale zu kommen bei dem großen Rad? Prompt fährt er durch Glasscherben auf dem Hotelparkplatz, besorgt dir einen hübschen Platten, den unser lieber Nachbar und Fährtensucher (Kartenlesen gehört zum Beruf) flickt im Handumdrehen. Selbst noch nie gemacht, schmierige Finger, du hättest es einfach nicht hingekriegt.
Am nächsten Tag hat er sich wundgeritten oder etwas in der Art. Sattel zu hoch, eben doch kein John Wayne. Rasch zum Arzt, Salbe in der Dorfapotheke besorgen. Kann passieren, wenn mehr nicht ist. Unser eiliger Scout vorne weg, hier muss es entlang gehen, oder wie, oder was? Die Frauen haben es nicht ganz so eilig, transportieren die Kleinen im Kindersitz, erzählen sich was. Gemütlich hat was, da siehst du mehr. Nein, die Abzweigung war links, wir haben die beiden Pferdemädchen gefragt, die kommen von dem Hof da vorne, die wissen es genau.
Auf dem Bauernhof toben die Kurzen auf dem Scheunenboden. Das duftende Heu und all das Stroh. Nicht kleinzukriegen, die Burschen. Schaut mal, wie niedlich die Kätzchen sind! Ihren neuen Radcomputer verlieren sie im Heu. Was, so weit sind wir durch strömenden Regen? Keine Dorfwirtschaft, die geöffnet hatte!
Alles klitschnass, erst einmal ausgiebig warm duschen, lockert strapazierte Muskulatur. Keine Duschabtrennung, auf dem geblümten PVC-Boden steht das Wasser knöcheltief. Abfluss wohl auch nicht. Schade, Papa, dass wir die Badewannenbötchen nicht mitgenommen haben! Dafür schlafen auch ermattete Allergiker höchst wonniglich unter dickem Federbett. Zünftig, Bauernhof eben. Die klammen Klamotten über die Heizung hängen, die werden schon trocknen. Abendessen stets vorzüglich, man isst gut im Münsterland. Bis auf die nette Gastgeberin mit dem schicken Speicher als Gästehaus. So stellt Klein-Erna sich Münsterland-Tourismus vor.
Herzlich willkommen. So früh, wir haben noch nicht mit ihnen gerechnet. Nehmen sie erst mal einen Klaren, Gottes Wort, selbstgebrannt. Der schmeckt, läuft durch die Kehle wie geschmiert. Auf einem Bein kann keiner stehen! Fürs Abendessen hab ich übrigens Gutscheine für sie. Angerufen in der Pizzeria um die Ecke, nur paar Kilometer mit dem Rad. Die erwarten sie schon.

4.
Amsterdam nur auf der Felge
Holland, da bist du König auf dem Rad. Breite Wege und jede Menge Rundtouren im Angebot. Von Knotenpunkt zu Knotenpunkt, sowas von easy! Damals mit der Ente zur Dali-Ausstellung nach Rotterdam, heute mit dem Rad ums Ijsselmeer, von Amsterdam nach Amsterdam.
Gestern zu Hause noch gründlich das Rad gecheckt: alles in Ordnung. Doch warum ist es so verdammt anstrengend heute morgen? Warum rollt die verdammte Karre so schlecht? An dem bisschen Gepäck kann es nicht liegen. Alle hundert Meter stehenbleiben und Luft aufpumpen. Freundliche Holländer gucken mitleidig besorgt. Können wir helfen? Was für merkwürdige Leute ihr Deutschen doch seid! Ich quäle mich weiter. Surreal ein wenig, wie damals im Museum die Bilder des berühmten Spaniers.
Sprachschwierigkeiten? Ich doch nicht! Bloß ein Platten! In dem Fahrradladen weiß man nicht so recht, was ich eigentlich will. Flickzeug? Naja. Ich pumpe weiter, schiebe die letzten Meter rein in die rummelige Stadt mit den vielen Grachten und 1200 Brücken.
Im Hotel bin ich platter als mein Hinterrad, zu müde zum Essen. Nein, bloß keinen Stadtbummel mehr. Konny telefoniert, das Leihrad für die nächsten sechs Etappen kostet nichts. Wir kommen am Ende hier wieder an, dann packe ich meinen Hobel aufs Auto für die Heimfahrt. Durchgeschwitzt auf der Felge geeiert, zwischendurch geschoben, wie viele Kilometer mögen es gewesen sein?
Dicke Waden, müde Beine. Wird schon werden! Matjes und Kibbelings essen, die Tour genießen, fängt gerade erst an. Auf dem Fahrrad bist du König.

5.
Kinderkram
Als ich Rollschuhlaufen lernen will, übe ich zuerst im Keller, soll keiner sehen. Binde mir mit einer Wäschekordel ein dickes Kissen auf den Po. Ein zweites Polster vor den Bauch klemmen irgendwie. Da auch etwas Schutz wäre nicht schlecht, ich fall doch ohne Rad schon andauernd hin, schrapp mir Knie und Schienbeine auf. Aber ob man mit zwei Kissen noch beweglich ist? Wie sieht das aus! Rollschuhe eher etwas für Mädchen, die aus der Nachbarschaft sind flott dabei!
Ein passabler Rollschuhläufer werde ich nie, mit dem Fahrrad ist es nicht viel besser. Zunächst mein rotes Dreirad. So etwas Feines hat nicht jeder, in unserer Straße, im ganzen Dorf nicht, absolut keiner. Und ich auch nur, weil ich gerade ernsthaft krank gewesen bin, irgendeine Kindersache im Vorschulalter. Wochenlang gelegen, endlich wider auf dem Damm.
Mit meinem Dreirad will jeder eine Runde drehen, und Mutter hat zu tun im Haus. Bald laufe ich hinter meinem Rädchen her durchs ganze Dorf, bettel, lasst mich doch auch mal fahren, bitte. Wir kommen durch Straßen, in denen ich noch nie gewesen bin, fast bis ins Nachbardorf. Da sitze ich nun in der Gosse auf dem Bordstein, die anderen juckeln abwechselnd mit meinem roten Flitzer an mir vorbei. Die Straße rauf und wieder runter, wenn die bloß nicht abhauen, plötzlich weg sind mit meinem Rad! Auf Nimmerwiedersehn verschwunden. Wie eine Ewigkeit kommt es mir vor. Drei, vier Kilometer weg von Zuhause, ziemlich spät schon, und Hunger hab ich auch.
Bis endlich Mutter kommt mit ihrem Rad, die sich sorgenvoll durchgefragt hat im Dorf. Habt ihr meinen Sohn gesehen, ein kleiner, schwarzhaarig mit einem roten Dreirädchen? Sie hebt mich auf ihren Gepäckträger, mein Rad platziert sie quer über den Lenker, schiebt uns nach Haus. Das machst du nie wieder, Junge, hörst du?

6.
Abgeschmiert
Dann nehme ich Opas Rad, zum Glück ein Damenrad, lehne es gegen den Zaun, ziehe mich hoch in den Sattel, versuchte, die Pedale zu erreichen. Das klappt nur knapp, schwankend wackel ich über den Hof.
Bald fahre ich etwas weiter mit meinen Freunden. Den Haarstrang hoch Richtung Ruhr, von 60 auf 80 Meter über Null, gewaltige Steigung. Im Bimbachtal rösten wir Kartoffeln in heißer Asche, klauen dem Bauern überreife Pflaumen, braten auch die. Ob der auch Äpfel hat? Macht Oma das nicht genau so? Dörrobst? Trockenpflaumen, Aprikosen, Apfelringe? Tüchtig pusten! An den Kartoffeln verbrennen wir uns die Zunge, die Pflaumen liegen schwer im Magen. Wir müssen ins Gebüsch.
Ab nach Hause. Von der B 1 Richtung Mühlhausen, Lünern kriegen wir ziemliches Tempo auf unseren Rädern. Wie das abzischt! Bloß nicht wackeln, festhalten den hohen Lenker! In der langgezogenen, wohl doch zu engen Kurve gerate ich in Schieflage, rutsche weg, schmiere ab, liege lang auf der Nase. Das Vorderrad dreht sich munter weiter, außer ein paar Schrammen nicht viel passiert. Opas Stahlross sowas von stabil, dem macht ein Sturz überhaupt nichts aus.
Meist fahren wir nicht ganz so weit. Mal eben an der alten Kaserne nebenan die Bombentrichter runter und rauf. Immer wieder, wir kriegen nicht genug. Idiotenhügel, Todestrichter nennen wir sie. Manchmal wird da mit Bändern und Seilen eine Strecke abgesteckt, dann fahren die Älteren Motocross auf abenteuerlichen, stinkenden, laut knatternden Maschinen Marke Eigenbau.
Wir sehen zu, bleiben bei unseren Rädern. Mit denen geht das auch. Runter und rauf. Haste nich gesehn?! Stürze sind einkalkuliert. Wenn du nicht genug Schwung hast, die Hückel nicht schaffst oder wegrutschst in Sand und Pfützen passiert das eben. Erstes Montainbiken. Nicht ganz so spektakulär, harmloser als die Sache da an der B1 in Lünern, Stockum, am Mühlhauser Berg. Oder wo das war.

7.
Eigentlich widersinnig
Mit dem Auto nach Holland, um dort Rad zu fahren, was das wohl soll? Aber ja, absolut eben, komfortabel und störungsfrei fließend stellen wir uns das vor. Was für tolle Sperrwerke und Wasser- und Flutschutzvorrichtungen die hier haben! Pisten auch mal 20 Meter unter dem Meeresspiegel.
Über unseren Köpfen kommen die Flieger nach Schiphol rein, düsen ab nach Werweißwohin. Wir sind bescheiden, eher auf Ruhe bedacht. Entschleunigen kannst du prima auf dem Rad, auch kleine Geschichten fallen mir da ein. Heute verläuft unsere Strecke durch die Dünen die holländische Küste entlang über Zandvoort Richtung Scheveningen, morgen weiter von Käsestadt zu Käsestadt, durch Gemüse- und Gewächshausfelder.
Auf der schönen Dünenstrecke haben wir Gegenwind, Konny wartet ab und an auf mich. Kauf dir doch endlich ein E-Bike! Ein Mann in deinem Alter! Wir fahren nicht schnell, sind beeindruckt, wenn andauernd größere Gruppen junger Holländer mit reichlich Speed an uns vorbeizischen. Manchmal so eng, dass du den Fahrtwind spürst. Na, ja, die sind jung, sagen wir uns, die kennen den Weg, jede Kurve, jeden noch so kleinen Anstieg. Und haben heute Abend bestimmt noch was vor, schickt Konny hinterher. Sie muss schon wieder warten, wir lassen uns Zeit, lernen eine Pause einzulegen, wenn wir im Laufe des Tages zufällig an einen Matjesstand, einem Café oder Schnellimbiss vorbeikommen. Wer weiß, ob wir das Glück heute noch einmal haben? Wer weiß, ob wir uns am Abend noch aufraffen und Essen gehen?
Das Hotel am Badestrand in Scheveningen ist etwas abgeranzt, eine Portion Pommes an der reichlich langweiligen Promenade muss diesmal reichen. Wo willst du hier was zu Essen kriegen? Der Fisch tagsüber hat Durst gemacht, komm, lass uns noch irgendwo einen Schluck trinken.

8.
Ganz schön groggy
Radfahren entspannt. Vor vierzig Jahren sieht das anders aus. Da gerate ich nach vier, fünf Kilometern schon ins Schwitzen. Wenn wir mal nach Bönen fahren, zu einer Lyriklesung beispielsweise. Die gibt es damals wirklich, ich schreibe doch ähnliche Sachen, habe Interesse. Lesung in der Alten Mühle also, die liegt auf einem schrecklich hohen Berg, nicht mal zehn Meter Höhenunterschied.
Oder wir besuchen Freunde und wissen genau, gleich fließt der Alkohol in Strömen, mit Autofahren ist dann gar nichts mehr. Obwohl, längst klar, dass auch Radfahrer besser die Finger davon lassen.
Untrainiert sind wir, was das Radfahren betrifft. Unsere schweren Mollen haben, wenn überhaupt, nur eine Dreigangschaltung, da quälen wir uns schon bei jeder kleinen Böschung und Autobahnbrücke. Eine ganze Weile bleibt das so. Erst als die Kinder größer sind, steigen wir häufiger in den Sattel, planen mit Bekannten kleine gemeinsame Touren. Durch westfälische Umgebung meist, über alte Eisenbahntrassen oder am Fluss entlang.
Fahrradrouten, von da nach dort, Streckennamen, die irgendwas zu tun haben mit der Region, historische oder geografische Besonderheiten. Du besorgst dir eine praktische, kleinteilige Klappkarte (für den Lenker) und strampelst deine Etappen ab. Egal, ob Hellwegroute oder kreuz und quer durchs Münsterland, 100-Schlösser-Taor. Oder über ein Teilstück der Römerroute die Lippe entlang von Bergkamen nach Xanten, später die andere Richtung nach Osten. So ähnlich sind die doch damals auch gezogen Richtung Teutoburger Wald. Mit dem Fahrrad? Nein durch Urwald und germanischen Sumpf! Den berittenen Boten auf dem alten Damenrad gab es nur in unserem Schultheaterstück. Romulus der Große. Vom Untergang Roms. Der rostige Drahtesel landet scheppernd in der Bühnenecke. Gackernde Hühner. Dem Kaiser atemlos Bericht erstatten. Majestät, Odoaker hat ein Ei gelegt! Schon wieder eins? Famos! Aus Pappmaché die Galerie der Kaiserbüsten als Bühnendekoration, mit Zeitungspapier und Tapetenkleister fabriziert im Kunstunterricht.
Oder mal knapp 100 km den Emscherradweg von Holzwickede nach Dinslaken.
Ist doch nur ein Bach! Trotzdem, komm, lass uns mal wieder fahren! Beeindruckend und dicht an dicht, die Gegend diesmal Grau in Grau mit etwas Grün. Ruhrgebiet, nicht ohne Charme. Die Orte und Abschnitte vom Emscherquellhof bis zur Mündung in den Rhein. Alte Schwerindustrie, daneben frisches Grün. Bröckelnder Backstein, vergessene Stahlgerippe und weitläufige neue Hallen aus Blech und Beton. Alles nah beieinander, renaturierte Abschnitte auch, sorgen für besonderen Reiz.
Idylle und das Flair einer ehemaligen Industriegegend, lockt die Werbung. Bloß eine Floskel, was solls? Völlig Unrecht hat man nicht, und schließlich lebst du schon wer weiß wie lange hier, da solltest du die nähere Umgebung zumindest etwas kennen. Fahr einfach los, auf dem Rad siehst du allemal mehr als mit dem Auto und zu Fuß.

9.
Holland, zum Dritten
Eine echte Radfahrnation, wo jeder vierte mit dem Rad zur Arbeit fährt. In Deutschland undenkbar. Na ja, Holland ist ein kleines Land, in dem man zum Wohle der Radler frühzeitig vorausschauend gedacht und gehandelt hat. Flotte junge Leute auf flotten Rennrädern und breiten schnellen Pisten. Nach Geschlechtern getrennt fahren sie auch Wochentags in größeren Gruppen.
Zehn drahtige junge Frauen, die das Wochenende auf ihren modernen, feinen Rädern verbringen, mit uns im Hotel. Wir machen das öfter! Richtige Rennmaschinen fahren sie. Am Abend kommen sie nach einem verregneten Tag weit nach uns an, frisch und munter. Am nächsten Morgen, ziemlich zeitig, kurz mal winken, zischen sie schon wieder los. Ihre Etappen mindestens doppelt so lang wie unsere.
Dagegen hier bei uns an Rhein, Lippe, Ruhr? Kleinteilig, eng. Ungemütlich, mitunter gefährlich. Und alles stockt. Ein Herz für Radfahrer, was, bitteschön, soll das denn sein? Endlose Rotphasen an tausend Ampeln, während der Autoverkehr rollt und rollt. Oder nebenan stockt und du strampelst weiter. Dankbar musst du sein, wenn sie so gnädig waren und mal einen Bordstein abgesenkt haben für dich. Ansonsten Ecken und Kanten, Hückel, Holperstellen, enge Kurven, schon wieder Stopp.
Wenn es nur ein hochstehender Gullydeckel ist, den umrundest du locker. Reibungslos voran aber kommst du nirgends. Im platten Münsterland vielleicht, oder am Niederrhein zwischen Wesel und Emmerich. Aber das ist fast schon wieder Holland. Komm, lass uns Lakritze kaufen, Kibbelings und Pommes essen. Nicht schon wieder, Amsterdam für Biker sowas von eng, da fährst du besser mit dem Boot. Schön radeln kannst du auch bei uns. Wir bauen eine neue Radautobahn, taghell beleuchtet, Ladestationen überall, durch das ganze Ruhrgebiet. Fahren derweil über alte Zechenbahntrassen. Wassergebundene Decke, schlammig und matschig nach Regen, saharatrocken im Sommer. Die Gegend bestaunen.

10.
Auch mal am Kanal entlang
Obwohl das mitunter langweilig ist. Pure Einförmigkeit, der Weg ausgefahren, schlecht geschottert. Der letzte Starkregen hat alles weggespült, grobe spitze Steine freigelegt. Da vorne ist gesperrt, die Autobahnbrücke wird neu gemacht.
Mal über die frisch asphaltierte Trasse von Königsborn bis Welver. Brombeerranken von rechts und links, wollen sich ihr verlorenes Areal rasch wiederholen. Kurbad Königsborn zu Kaisers Zeiten, als ganze Sonderzüge von Dortmund kamen. Naherholung am Gradierwerk. Am Unnaer Tierheim geht es weiter, nach Süden der Blick auf den Haarstrang. Davor der Hellweg, alte Heerstraße, nicht erst seit Napoleon. Vor dem alten Lenningser Bahnhof stand mal der Pullmanwagen der englischen Queen auf den Gleisen, Zwischenstopp beim Besuch der königlichen Truppen. Alte Nazi-Parolen oben im Giebel, Räder müssen rollen für den Sieg, rasch notdürftig überpinselt. Auch später immer noch sichtbar, wenn du genauer schautest.
Emscher und Lippe, Ruhr, Ems und Weser. Flussradwege haben etwas Besonderes, sind nicht umsonst ziemlich beliebt. Dann tun sie gleich so, als sei man in der berühmten italienischen Lagunenstadt. Kanäle und Brücken. Westfälisches Venedig, wo denn nun? In Lippstadt oder in Datteln? Das Schiffshebewerk Henrichenburg kann ich empfehlen.
An den Ruhrtalradweg dachte damals keiner. Der Bergmann und Schriftsteller Max von der Grün, nach dem Krieg aus Franken ins Ruhrgebiet gekommen, interessierte sich für seine neue westfälische Heimat. Alles Leben kommt aus dem Wasser lautet der Titel seines detailreichen, ausführlichen Reiseberichts über die Ruhr. Nein, mit dem Fahrrad ist er das namensgebende Flüsschen nicht entlanggefahren, mit dem Moped hat er sich irgendwann in den sechziger, frühen siebziger Jahren aufgemacht vom sauerländischen Winterberg nach Duisburg-Ruhrort. Immer nahe der Ruhr konnte er nicht bleiben, häufig endete sein Weg in einer Sackgasse, vor dem Gatter einer Viehweide beispielsweise, oder führte zwischen den Feldern einfach nicht mehr weiter. Ein bemerkenswertes Zeitdokument, sein Bericht, der Aufschlüsse gibt über eine Arbeitsregion zwischen Industrie- und Bauernland.
Mein Vater radelte wenige Jahre zuvor ganz ohne Gangschaltung und Zwischenstopp mal vom Bergbaudorf Heeren zum Möhnesee, bloß um sich die bombenzerstörte und längst wieder geflickte Staumauer anzusehen. Über vierzig Kilometer. Zurück nach Hause musste er auch, übernachtet hat er mit Sicherheit nicht. Für Vater, gerade aus dem Krieg zurück, eine stramme Leistung. Ich wäre da fix und alle und so was von groggy gewesen.

11.
Straßenbahn und Knotenpunkte
Wir dagegen fahren heute lieber auf holländischen Radfahrautobahnen mit Dutchbike von Hotel zu Hotel, schicken Gepäck voraus, wobei das doch wirklich nicht nötig wäre. Was brauchst du schon? Wir freuen uns über den Komfort, sind gespannt, wie das nächste Hotel wohl wird, nehmen überteuertes, weniger gutes Essen in Kauf. Wenn du in Europa bist, willst du nicht jeden Tag pappige Burger essen. Fisch und Pommes tun es auch.
Breite, kreuzungsfreie Wege machen Spaß. Gutes Essen ist nicht alles, wir wollen uns abstrampeln vor allem. Feine Ausschilderung, du näherst dich dem nächsten Knotenpunkt, freundliche Leute, ungewohnt langsamer Autoverkehr. Von der Radpiste ungewohnt weit weg, stört kein bisschen. Hier bist du König, was willst du mehr?
Wenn du dann in Zeeland, kurz vor Belgien, über eine der Inselbrücken fährst, Kilometer für Kilometer, kommst du aus dem Staunen nicht heraus. Was die Niederländer der Nordsee da alles abgerungen haben, denkst du. Einmalig, die Polderlandschaft. Wenn mal wieder Feinde kommen, alles rasch vierzig Zentimeter unter Wasser setzen. Für Autos und zu Fuß zu tief, für Schiffe zu flach, da kommt keiner durch.
Wunderbare Brücken, Schleusen und Wehre. Bloß bei Sturm möchtest du diesen Weg nicht unbedingt fahren. Geht auch gar nicht, aus Sicherheitsgründen lassen sie vorher die Schranken runter. Durchfahrt verboten, sieh zu, wie du dann von einer Insel auf die nächste kommst, über die Oosterschelde oder über die fünf Kilometer lange Zeelandbrug mit Panoramablick aufs Meer. Den musst du dann verschieben auf ein ander Mal.
Rotterdam bringt uns nur Unglück, behauptet Konny nach dem tüchtigen Schrecken. Immerhin hat sie die Abbiegung bemerkt, an der ich achtlos vorbeifahren wollte. Rechter Winkel plötzlich, gleich hinter einem Mäuerchen. Längst schon in der Stadt, einige Industriehäfen haben wir schon hinter uns, Umleitungen auch.
Die Straßenbahnschienen sieht sie einfach zu spät. Der Schreck fährt dir gehörig durch die Glieder. Kornelia!, laut schreiend. Ich bremste abrupt. Kornelia!? Sagst du sonst nie! Auch der korrekte Name überraschend für sie.
Wir sind doch wunderbar geradelt seit heute früh. Und dann verläuft die Schiene in so einer engen, blöden Kurve, dazu noch eine Weiche. Was willst du machen? Erde spritzt aus der Spur, in der ihr Vorderrad steckenbleibt, Konnys Rad neigt sich zur Seite, schon liegt sie da. Komm, setzt dich auf die Mauer. Nimm einen Schluck! Geht es wieder? Durchatmen, das schiere Entsetzen legt sich.
Straßenbahnschienen so was von tückisch, sage ich dir, wenn du die nicht anständig anfährst, im rechten Winkel querst, ergeht es dir garantiert genauso. Ausgerechnet auf dem letzten Teilstück. Knie und Schienbeine aufgeschrammt, die Hose heile. Komisch. Blau, Grün und Violett wird es werden, jeden Tag anders! Dennoch, alles gut gegangen!
Und was mach ich? Verfahre mich, obwohl ich es gerade eben genau gelesen habe und alles doch so einfach ist. Die tolle Sache mit den Knotenpunkten, da weißt du im Voraus bestens Bescheid. Verfahren? Kann passieren! Und was kann ich dafür, dass ich umgeknickt bin an dem verdammten Bordstein, am ersten Tag, kaum angekommen, bevor die Räder abgeladen sind. Glück gehabt in Rotterdam, glimpflich verlaufen für uns beide. Hätte schlimmer enden können.

12.
Altes Haus
Auf dem Weserradweg, beliebte Strecke, gut für strukturschwache Regionen, musst du nicht fürchten, dich zu verfahren. Immer gemütlich geradeaus, den Fluss entlang von Ort zu Ort. Vorsicht ist geboten, wenn größere Gruppen kreuzen, wie immer an der engsten Stelle abrupt halten und blockieren.
Die Oberweser, Doktor Eisenbart in Hannoversch-Münden, wo Fulda sich und Werra küssen. Verschlafenes Gieselwerder, malerisches Polle mit der Burgruine oben, noch nie davon gehört. Weserrenaissance und Märchenschlösser, Aschenputtel und Dornröschen. Abtei Corvey, der Lügenbaron in Bodenwerder, sitzt auf einem halben Pferd, aus dem das Wasser plätschert.
Vorbeiradeln am Schloss Hämelschenburg. Den silbernen Löffel, der da im Sand blitzt, den nehmen wir mit, original echt alt, so wie der aussieht. Guck mal die Schnörkel, bestimmt vom Grafen!
Für Kinder spannend, wenn der alte Fährmann am Gierseil uns übersetzt von einer Weserseite auf die andere, weil der Radweg das Ufer wechselt. Die Fachwerkhäuser der Rattenfängerstadt. Die müssten doch bald kommen! Kurz vor Hameln sind wir tatsächlich auf so etwas wie einem Deich. Weserdeich, warum auch nicht. Von hier oben prima Aus- und Übersicht. Pure Idylle, oder wie oder was?
Und dann siehst du es plötzlich. Unvermittelt. Und alle wundern sich, weil du einfach nicht weiterfährst, wie wild mit den Armen fuchtelst, laut rufst. Seht her! Das kleine Haus da vorne! Schmal und geduckt liegt es neben der hohen Friedhofsmauer. Dort hast du, ewig her, mal mit Oma Ferien gemacht. Unvergesslich, du warst noch kein Schulkind, da ging das gut. Weserferien bei Opas Bruder unterm Dach in dem kleinen Haus, kurz nachdem Opa gestorben war. Was ich bei Oma alles durfte damals!
Ob die alten Raddampfer immer noch fahren, frage ich mich, ob die auch Räder mitnehmen wie die Schiffe auf dem Bodensee? Oma die Einzige in der Familie, die kein Fahrrad fuhr. Unschicklich, unmöglich für ein Bauernmädchen vor dem 1. Weltkrieg. Da stellst du dir vornehme Damen auf dem Hochrad vor, in der Großstadt. Im langen weißen Reifrock, mit modischem Hut, womöglich Sonnenschirm. Als Kind hatte Oma es nicht gelernt. Viel zu gefährlich, sie traute sich nicht.
Inzwischen bin ich längst in ihrem Alter, zum Siebzigsten hab ich mir ein E-Bike gegönnt. Genieße es, fahre seitdem deutlich mehr.


Hitze

Hochsommer, es war wie immer. Zwei Tage knallblauer Himmel über den mattroten Ziegeldächern, zwischen den Streben des Fördergerüsts, über der staubschwarzen Halde, zwischen dem dunklen Grün der Buchen am Waldsaum. Zwei Tage, schon war es affenheiß. Feuchtklebrig schwer die Luft, flirrend über dem Asphalt der Siedlungsstraße.
Oma zog vormittags die Läden vor die Fenster, um die Hitze aus dem Haus zu halten. Jürgen liebte die Dunkelheit am hellen Tag, wenn er sich nach dem Mittagessen auf Ohr legen musste, weil Oma es so wollte. Ausruhen, wie sie es nannte. Zwischen dem kurzen Dahindämmern, natürlich kein Mittagsschlaf, dazu war er längst zu alt, ging es, wie an den anderen Tagen auch, raus an die Luft, wenn es nicht gerade aus Kübeln goss, oder die im Schneematsch eingesaute Hose, die eingeweichten Schuhe, noch nicht wieder trocken waren. Seit Jürgen in der Schule war, gab es einen neuen, engen Rhythmus. Elend lange Schulvormittage, dann Hausaufgaben Viel zu kurze Ferien. Die verbleibende Zeit wollte Jürgen intensiv nutzen.
Mit blechernem Scheppern fiel hinter ihm die Haustür ins Schloss. Die staubige Siedlungsstraße hell in der Sonne. Die Zeche gegenüber. Ein Steinwurf nur. Eine kleine Schachtanlage. Familienpütt, wie Oma es nannte.
Oben in der Halde hinter der Zechenbahn steckten lange Stangen. Sonden. Messen die Temperatur im Innern, hatte Oma erklärt. Damit die Kohle sich nicht von selbst entzündet. Wenn es zu heiß wird, sprüht man Wasser drauf zum kühlen.
Er hatte sich mit Wowack und Pirak verabredet, das Wäldchen lockte.
Jüppi, wie die Freunde ihn nannten, passte viel besser als der Name auf dem Taufschein. Jürgen-Josef, altmodischer ging es nicht. Josef nach seinem katholischen Opa. Jupp, der schon lange tot war.
Wenn er zum Essen kommen musste oder sich Abends verspätete, rief Oma zum Glück einfach nur Jürgen. Jüppi war besser, bei Wowack und Pirak genau so, deren richtige Namen ihm kaum einfielen.
Ihre unterirdische Bude, zwischen dichten Weißdorn- und Holunder-büschen, hatten sie im Frühjahr erweitert, die Lehmwände geglättet, ein paar Nischen gekratzt für Kerzenstummel und ihre Akim- und Sigurthefte, störende Wurzeln entfernt. Das Dach mit einen rostigen Stück Wellblech, das sie vom alten Sportplatz herangechleppt hatten, teilweise erneuert und mit Zweigen und Ästen, altem Laub und frisch gestochenen Grassoden abgedeckt und getarnt.
Ein guter Platz um sich zu zurückzuziehen und abzutauchen. Die Welt der Erwachsenen draußen lassen.


Isabella trug ihr Sommerkleid mit dem ärmellosen Oberteil, den roten Tupfen, die von weitem aussahen wie Klatschmohnblühten, dem ausgestellten Rock, der bei jedem Schritt wippte und wehte. Die jungen Männer glotzten ihr pfeifend und Zunge schnalzend hinterher, wenn sie in dem luftigen Fähnchen die Straße entlangspazierte, die Korkabsätze ihrer Sandalen klappern und kratzten ließ.
Die Blicke waren in Ordnung, fand Isabella. Die mussten sein. Ihr hätte etwas gefehlt, hätten die Macker nicht so gestarrt und immer wieder anerkennende, bewundernde Bemerkungen gemacht. Bestimmen, wer ihr näher auf die Pelle rücken durfte, wie sie es nannte, würde immer noch sie, keiner sonst.
Am Kiosk lungerte um diese Zeit eine ganze Meute herum. Sie nuckelten an ihren Bier- und Colaflaschen, bliesen jede Menge blauen Rauch in die Luft. Auf der Budentheke ein Kofferradio, die Antenne ausgefahren. Aus dem winzigen Lautsprecher schepperten die Beatles. I wanna hold your hand.
Die Burschen winkten von weitem. Das Mädchen streckte sich, schob den Busen vor in dem spitztütigen BH. Huldvoll winkte sie zurück, ließ ihr Sommerkleid, den billigen Perlonstoff, wippen und wehen, beschleunigte den Schritt. Die letzten Töne, noch einmal Ringos Schlagzeug, dann die Spencer Davies Group, Steve Winwood krächzte. Keep on running. Brandneu das Stück. Der Sender spielte es zum ersten Mal.
Der breite Gürtel betonte die schmale Taille, die Korkkeile der Sandalen ließen ihre Beine ein Stück länger erscheinen.
Na, ihr Arschgesichter!
Schon stand sie mitten im Pulk, Hand in der Taille, den Daumen unter den Gürtel geschoben. Die Burschen glotzten dämlich, wie sie es erwartet hatte, bildeten einen Kreis um sie.
Schickes Kleid.
Was du nich sagst.
Brütend heiß heute.
Kleiner Schluck schadet nich.
Abwechselnd griff sie nach einer Colaflasche und einem Export, die vor den Jungen auf der Theke standen, spitzte die Lippen, nippte kurz. Mit spitzen Fingern nahm sie eine Zigarette, bließ Haare aus der Stirn, ließ sich Feuer geben. Im Radio war man bei den Stones angelangt. Time is on my side.
Einer gab ihr eine Cola aus. Isabella legte den Kopf in den Nacken, zog an der Zigarette, blies den Rauch steil in die Luft. Die Nasenflügel zitterten, blähten sich. Die Kerle stierten und glotzen. Sie wusste um ihre Wirkung. Ein Ritual, das sie genoss, das ihr wichtig war. Aufmerksamkeit, Bewunderung. Das schönste Mädchen der Siedlung. Sie schob den Plastikgürtel hin und her, strich über eine Rockfalte.
Rot steht dir gut. Trägst du n Petticoat?
So siehst du aus, du Pflaume! Sind doch längst aus der Mode. Und dann bei der Bullenhitze!


Eh, Wowack, unsere Unterirdische! Echt Klasse dieses Jahr. Der Wald sowieso bei der Hitze. Merkste sofort, die Luft viel kühler, besser als sonstwo. Und keiner, der uns auf die Pelle rückt.
Wir haben zwei Flaschen Himbeersaft, Jüppi, wenn wir den verdünnen, issa nich so süß und wir haben länger was. Musst nachher nur ne Flasche besorgen, wenn wir unsere Erkundungstour beendet haben.
Über den Bombentrichtern und den Entwässerungsgräben entlang der schnurgeraden, wie mit dem Lineal gezogenen Waldwege schwirrten Schwärme von Mücken. Pirak klatschte mit der flachen Hand auf nackte Arme, Waden, Oberschenkel.
Warum stechen euch die Biester nicht?
Sie blieben im Unterholz. Hier am Waldrand spürten sie den lauen Wind in den Zweigen, die Blätter bewegten sich ganz leicht. Über dem dichten Blätterdach ab und zu ein kleiner, tiefblauer Fleck.
Die Komantschen haben ihr Lager auf der anderen Seite. Richtung Dorf. Unsere Unterirdische entdecken die nie. Wenn wir aufpassen, können wir uns ranschleichen und sie belauschen.
Vorher bauen wir die Strohburg aus, Ollen, all die Strohballen drüben auf der anderen Seite am Feldrand. Uneinnehmbar, wir haben den Überblick, beste Sicht nach allen Seiten. Wenn wir einen Geheimgang anlegen, kommen nur wir da rauf und können von oben jeden Angreifer abwehren. Die Strohburg issn super Versteck und Rückzugsort. Wir müssen nur paar Ballen umschichten, mehr nich.
Die Sonne war längst über die Bäume geklettert, glühend stand sie über dem abgeernteten Feld. In ihrer Strohburg war es stickig heiß, auch im Schatten der aufgeschichteten Ballen. Bald wurde es so brüllend sein, dass an eine Belagerung der Komantschen nicht zu denken war. Schon gar nicht ohne Wasser oder Himbeersaft. Jürgen würde für Nachschub sorgen. Für jeden eine Flasche als Tagesration. Er fuhr mit der Zunge über die trockenen Lippen, blinzelte in die Sonne. Mittag. Omma wartete mit dem Essen. Danach die lästige Ruhepause im abgedunkelten Zimmer. Bei der Hitze heute direkt eine Wohltat. Hunger verspürte er nicht. Dennoch, es war Zeit für den Rückweg quer durch den Wald. Sie reckten den Kopf über die Strohballen und machten sich an den Abstieg. Keine Komantschen, keine Erwachsenen weit und breit, die sie in ihrer Strohburg vermutet, aufgespürt und daraus vertrieben hätten.

Das Mädchen in dem weißen, ausgestellten Sommerkleid mit den roten Klaschmohntupfen kam über den asphaltierten Feldweg, der um das Waldstück führte. Arm in Arm mit einem Mann aus dem Dorf, den Wowack und Pirak kannten. Zurück hinter das Stroh. Sie hatten die beiden gerade rechtzeitig bemerkt. Obwohl: Gefahr ging von denen keine aus. Alle paar Schritte blieben sie stehen, küssten sich, gingen weiter.
Den Macker kenn ich. Die Schickse? Isabella, wie das schöne Auto von Borgward. Hübsche Kiste.
Meinste die Karre oder das geile Teil auf zwei Beinen. Mit der Perle wüsste ich auch, was ich machen würde. Pirak stülpte die Lippen vor, ließ die Zunge in der Backe kreisen.
Glaub nich, dass die dich ranlassen würde. Mit Zwergen gibt die sich nich ab, Ollen, auch wenn de ziemlich versaut bis.
Jürgen stieß Wowack in die Rippen. Leiser, muss keiner wissen, dass wir hier oben sind.
Der Blümchenrock wippte und wehte. Knallrot der breite Gürtel um die schmale Taille. Einen Pettycoat trug sie wohl nicht. Das rotgetupfte Fähnchen, ein luftiger Fummel, sah selbst aus wie ein weit fallender Unterrock.
Das Mädchen trug einen Stoffbeutel, schlenkerte ihn hin und her. Der Macker schob die Hand unter den Rock, den Arm bis zum Ellenbogen, zupfte mit der anderen an den Trägern. Sie gerieten ein wenig in Schieflage, das Kleid wirkte plötzlich asymmetrisch, knielang auf der einen, popokurz auf der anderen Seite.
Astreines Fahrgestell. Wowak grinste.
Gefummel. Schau einer an, Fingerspiele beim Spazierengehen. Pirak gab sich fachmännisch, tippte Jüppi auf die Schulter: Kannze von lernen, Kurzer.
Der Armin geht der ganz schön an die Wäsche, nickte Wowack. Is Lehrling bei StellAG, in der Metallfabrik, wo mein Vatta arbeitet.
Pirak zog den Kopf ein, duckte sich tiefer. Jüppi hat Recht, hören müssen die uns trotzdem nicht.
Die beiden bogen in den schnurgeraden Waldweg ab, verschwanden zwischen den Bäumen. Jürgen, Wowack und Pirak kamen aus ihrer Deckung, trotteten quer über das Feld, schon im Schatten der Bäume sprangen sie über den Graben am Waldsaum.
Omma will, dass ich über Mittag zu Hause bleib. Ich hol Himbeersaft und bring Wasser mit zur Unterirdischen. Könnte euch drauf verlassen. Bei der Hitze immer noch der beste Platz.


Isabella hatte eine karierte Decke aus dem Stoffbeutel gezogen und auf dem Boden ausgebreitet. Kaum handtuchbreit. Sie hatte den roten Gürtel gelöst, ihr Kleid abgestreift und neben dem Gürtel über einen Ast gehängt. Wie eine Fahne hing es da, ein rotgetupfter weißer Vorhang in all dem Grün.
Meinst du, das schöne Kleid soll dreckig werden? Von der Walderde oder was weiß ich?
Der Junge zog sein Hemd über den Kopf. Das Mädchen griff nach seinem Gürtel, fingerte an den Hosenknöpfen, knöpfte ihm die Hose auf, zog sie herunter zu den Knien. Er strampelte mit den Beinen, die Hose rutschte auf die Schuhe. Er versuchte, sie abzustreifen, wegzutreten. Mit einem Bein verhedderte er sich und versuchte das Gleichgewicht zu halten. Als er zur Seite fiel, fing Isabella fing ihn auf. Armin legte die Arme um sie, bugsierte Stirn und Nase zwischen ihre Brüste.
Komm, ich helf dir, dass du die bescheuerte Hose los wirst.
Sie zog seinen Kopf zurück, ging in die Hocke, riss ihm mit einem Ruck die Hose von den Füßen und strich die Decke glatt. Er ließ sich neben sie fallen, streckte die Arme aus.
Hast du dir so vorgestellt, was?. Bequem nebeneinander liegen? Nee, mein Lieber, dafür ist die Decke zu klein.
Armin rollte zur Seite, griff nach ihrer Hüfte, umfasste sie ungeschickt, versuchte, ihr den Schlüpfer auszuziehen. Sie löste seine Finger, machte es selbst. Mit angewinkelten Armen, die Handflächen gegen seine Brust, hielt sie ihn auf Abstand.
Lass langsam gehen, ist auch so heiß genug.
Is kein bissken heiß hier. Kühler als sonstwo. Vor allem: hier sieht uns hier kein Aas.
Wenn bloß die Mücken nicht wären.
Er rückte näher, küsste ihren Bauch. Seine Hände wanderten hinter ihren Rücken, versuchten den Verschluss des Büstenhalters zu lösen.
Du kennst dich kein bisschen aus damit. So schaffst du es nie. Während sie ihm die Unterhose herunter zog, erlaubte sie ihm ein paar weitere Versuche.
So wird das nichts, mein Lieber. Sie griff nach den BH-Trägern und ließ die gepolsterten spitzen Tüten von den kleinen Brüsten gleiten.
Lass dir Zeit, Armin! Hast es verdammt eilig. In der Tasche ist noch eine Kleinigkeit. Wär eigentlich deine Sache gewesen.
Sie zog den Stoffbeutel heran, langte hinein, suchte und kramte. Endlich zog sie ein flaches, seitlich gezacktes, bedrucktes winzigesTütchen hervor.
Mach auf, zieh über. Isabella hielt ihm das Kondom hin, dann drehte sie die Hülle, zog mit spitzen Fingern die aufeinander pappenden gezackten Seiten auf, stieß mit dem spitzem Nagel des Zeigefingers in den Ring, zog das Kondom aus der Hülle. Er knabberte an den Brustwarzen, streichelte die Innenseiten ihrer Oberschenkel.
Können wir nicht ohne Pariser?


Die Luft stand drückend schwühl. Jüppi, Wowack und Pirak waren froh, wieder in ihrem Wäldchen zu sein. Sie kämpften sich schwitzend durch das Unterholz, mühsam, gleichzeitig leise und gewandt. Sie mussten aufpassen, damit sie von zurückschnellenden Zweigen nicht getroffen wurden. Auf ihrem schmalen, kaum ausgetretenen Pfad, der sich durchs Dickicht schlängelte, kamen sie gut voran. Klar, über den breiten Waldweg wären sie viel schneller gewesen. Nur noch an den Bombentrichtern entlang, dann hatten sie die kleine Lichtung zwischen den dichten Holunder- und Weißdornbüschen erreicht. Dahinter lag ihre Unterirdische. Während Jürgen weiterziehen musste zu seiner Oma, würden Wowack und Pirak den Mittag dort verbringen.
Die letzten Meter. An dieser Stelle war der Weißdorn so dicht, dass sie flach auf dem Boden robbend hindurchkriechen mussten.
Das helle Kleid in den Zweigen. Sie hatten es sofort gesehen. Sacht wehte der dünne Stoff im aufkommenden Wind, der plötzlich, kaum merklich, durch die Büsche ging.
Sie duckten sich. Pirak drückte Jürgen, der hinter ihm auf allen Vieren durchs Unterholz kroch, den Kopf auf den Boden.
Seht ihr, was ich sehe? Die vögeln. Wowak hatte es mehr gehaucht als geflüstert. Beinahe andächtig. Nackich im Gras. Ein Fest für die Mücken.
Unwillkürlich hob Jürgen den Kopf, blinzelte in die Baumkronen hoch über ihnen. Vögel waren da keine. Wowak hielt sich prustend die Hand vor den Mund. Wusst ich, Kurzer, dass deine Omma vergessen hat dich aufzuklären.
Hat besseres zu tun, kicherte Pirak. Muss jeden Sonntag in die Kirche dackeln. Der Macker hat aber einen ziemlich langen, geht ganz schön ran.
Für mich wär dat nix, flüsterte Jürgen. Bei der Affenhitze kleben die doch aneinander fest.
Mensch, Kurzer, willst doch demnächst zur Gummipenne. Kannze jetz schomma wat lernen. Jüppi stierte weiter, bis Wowack sein Gesicht erneut auf den Waldboden drückte. Abba ziemlich niggelig bisse gez schon.
Oller, die machen Kinder, hauchte Pirak. Der Armin und die Isabella. Dabei sind se selbst noch Kinder. Fast jedenfalls. Es klang, so leise es geflüstert war, fast erfurchtsvoll.
Älter als wir, klar. Halbstarke, aber noch längst keine Erwachsenen. Die Perle is fuffzehn, der Macker grad erst in der Lehre.
Wowak stieß Jüppi in die Rippen.
Kuck dir das an, Kurzer! Jetzt zieht se dem Schwanzlurch die Lümmeltüte drüber.
Wowak brauchte ihm nichts zu erklären. Er sah, dass die Freunde Stielaugen kriegten, wie hypnotisiert glotzten
Lümmeltüte? Is bloß n Pariser, Lümmel seid ihr selber.


Jürgen hatte die beste Sicht. Isabella stand, die Hände auf den Hüften, in ihrem weißen Baumwollschlüpfer vor den Büschen. Mit winzigen Blüten war er bedruckt, den bunten Prilblumen auf den Fliesen über Ommas Küchenspüle ähnlich, nur viel kleiner.
Armin wälzte sich herum, ging auf die Knie, fasste das Bündchen, zog den Schlüpfer runter. Isabella hockte sich auf einen abgesägten Baumstumpf. Baumpilze, lederartig, hellgelb, wuchsen wie kleine Schirme aus dem Stubben. Das Mädchen schob die gefaltete Decke unter den Po, streckte die Beine zur Seite, packte die Schultern des Jungen.
Klaro, dass ich dich anbete. Das schönste Girl im Kaff. Absolut klaro. Und dabei auf den verfluchten Ästen knien, die auch noch Stacheln haben! Aber für dich würde ich…
Isabella, zurückgelehnt, den Kopf im Nacken, blickte in die Baumkronen. Armin steckte seine Nase wieder zwischen ihre Brüste, als wolle er sich zwischen den kleinen Halbkugeln verstecken. Isabella hielt seine Schultern, spreizte die Finger, pflügte mit ihren hellrot lackierten Nägeln seinen Rücken. Armin keuchte, stöhnte, schrie. Und hörte nicht auf. Schweißperlen waren auf seiner Stirn. Nun bewegten sich beide wiegend hin und her, weiter im gleichen Rhythmus.
Jüppi reckte den Hals, starrte mit offenem Mund, Pirak wagte nicht, ihn runterzudrücken.
Armin bewegte sich ruckartiger, schneller. Isabella zog ihm weiter die Krallen über das Kreuz. Die roten Striemen liefen kreuz und quer, verteilten sich über den Rücken. An einigen Stellen schimmerte Blut.
Muss doch weh tun, das, flüsterte Jürgen. Wie die den kratzt mit ihren Nägeln. Wie ein Bauer beim Pflügen.
Unsinn, Kurzer, das merkt der alte Schwanzlurch gar nicht, hin und weg wie der ist.
Pirak presste die Lippen aufeinander, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Pflügen war das bestimmt nicht, und wie eine Bäuerin sah Isabella nun gar nicht aus.
Sie hielt Armins Schultern, krallte ihm die spitzen Nägel unter die Haut, zog einmal durch. Rote Schrammer, zwei Bluttropfen auf dem Schulterblatt. Plötzlich drückte sie ihn zur Seite, er verlor den Halt, auf dem Rücken liegend landete er im Gras. Sie rollte sich über ihn, setzte sich auf ihn. Hob ihren Po etwas, rückte ihn zurecht. Mit den Fingerspitzen fasste sie seinen Penis.
Kannst dich auf die Decke legen.
Isabellas Pobacken zittern leicht. Seitlich bildeten sich Mulden, kleine Grübchen, die jedes Mal, wenn sie die Pobacken zusammenzog, etwas tiefer wurden.
Ruckartig warf sie den Kopf, stutzte plötzlich. Ein Geräusch zwischen den Sträuchern. Leises Rascheln, bestimmt ein Tier? Flüstern, menschliche Stimmen? Wer sollte das sein? Hier in ihrem perfekten Versteck? Sie versuchte eine Haarsträhne von der Stirn zu pusten, irgendwie klebte sie auf der schweißfeuchten Haut. Egal, wer auch immer! Isabell schwang zurück, beugte sich vor, drückte Armin auf den Boden.
In einem Weißdornbusch hing ein weißer Schlüpfer, winzige Streublumen. Nicht weit davon ein schlapper Luftballon, rosa, hellrot, feucht, aus dem sich sacht ein kristallklarer Tropfen löste, länger wurde. Ein dünner Faden, der sich langsam löste. Dann fiel der Samentropfen auf den Boden.


Wowack und Pirak krochen in ihre Bude, erschöpft, verschwitzt und aufgewühlt. Sie würden einen Schluck trinken, Atem holen, sich erst mal ausruhen in der kühlen Erdhöhle. Jüppi würde ziemlich verspätet bei seiner Oma aufschlagen. Schließlich hatten sie so lange hinter der Weißdornhecke gelegen, bis der Macker und seine Perle sich endlich angezogen hatten und so weit weg waren, dass sie sich trauten, ihr Versteck zu verlassen.
Es gab reichlich Gesprächsstoff, wenn Jüppi zurück war. Der Naivling konnte es brauchen, hatte es wirklich nötig. Von nichts eine Ahnung, aber glotzen, dass ihm fast die Augen aus den Höhlen gesprungen wären. Ehrensache, ihn umgehend aufzuklären, einzuweihen. Den kleinen Freundschaftsdienst waren sie ihrem jüngsten Bandenmitglied schuldig. Jetzt, wo sie alles hautnah mitgekriegt hatten.
Jürgen winkte zum Abschied, bog die Zweige zur Seite und rannte los, in merkwürdigen Rehsprüngen, mal nach rechts, dann nach links, Gestrüpp und Totholz ausweichend, Äste und tiefhängende Zweige überwindend. Aus ihrem Erdloch sahen Wowack und Pirak, wie er im Unterholz verschwand.
Schwitzend und pustend erreichte er die dicken Buchen, den Waldsaum vor der Siedlung. Die langweilige Mittagspause, Mittagsruhe, wie Oma es nannte, würde er versuchen, kurz zu halten. Rasch zurück zu den Freunden, allein das zählte. Er rannte weiter, in ungelenken Hüpfern im Zickzack die Siedlungsstraße entlang, ein junges Reh auf der Flucht.
Die Siedlung lag wie ausgestorben. Die meisten Männer auf Arbeit, in der nahen Metallfabrik oder auf dem Pütt. Viele Fensterläden, genau wie zu Hause, zugezogen. Zwischen den Mauern heiße Luft, die zu brodeln schien. Die Linden am Straßenrand, in voller Blüte, verströmten süßlichschweren Duft. Tief sog Jürgen ihn ein. Billig, wie das Parfüm deiner Mutter damals, hörte er Oma sagen.
Wie seine Mutter geduftet hatte, daran konnte er sich beim besten Willen nicht erinnern. Aus den Deckeln der Kanalisation stank es nach Scheiße. Keine Wolke am Himmel, am Abend würde es ein Gewitter geben.
War da nicht ein Blutfleck auf der Decke gewesen, als Isabella sie von dem Baumstumpf gezogen hatte?


Kollenzs Haushälfte sah trostloser aus als der Rest der Siedlung. Verkommen. Der ganze Müll genau vor der Tür. Jürgen wollte rasch vorbei. Bei Oma, das war was anderes. Oma hatte ihr Häuschen pikobello in Schuss. Die arbeitete von früh bis spät. Wurde es nicht Zeit, dass er ihr ein wenig half. Ihr ein paar Handgriffe abnahm, anstatt dauernd in den Wald zu rennen. Seine Kumpel mussten doch auch tüchtig ran, mussten auch helfen zuhause. Und in zwei, spätestens drei Jahren fing für sie sowieso die Lehre an. Dann war Schluss mit Spielen, Schluss mit Lustig. Den ganzen Tag durch den Wald stromern konnte man dann vergessen. Fast taten ihm Wowak und Pirak ein wenig leid.
Oma war nicht mehr die Jüngste. Uralt, verglichen mit Mama damals. Oma hatte erzählt von ihr. Dass sie hübsch gewesen war, und immer nett und freundlich. Gesehen hatte Jürgen sie nie.
Schwalben schwirrten hoch am Himmel.
Also Himbeersaft besorgen, aber zuerst den Kopf unter den Kran. Bei dem Gedanken riss er den Mund auf, schluckte, fühlte, wie das Wasser die Kehle runterrann. Ein lautes Geräusch schreckte ihn auf. Wie von einem Schlag. Dumpf und trotzdem ein Scheppern. Als hätte jemand mit einer Schüppe gegen Kollenz’ Schuppentür geschlagen. Abrupt hielt Jürgen inne in seinen unkontrollierten Rehsprüngen, seinem Hüpfen und Federn die Straße entlang, machte einen langen Hals. Geschrei, wüstes Brüllen nun, erneut dröhnende Schläge.
Holz gegen Holz, dann etwas matter, wie gegen etwas Weiches. Es kam hinter dem Schuppen her. Dahinter hatten Kollenz ihren Garten, vor den dicken Buchen, dem letzten Stück des Zechenwäldchens.
Keuchen und Stöhnen, laute Schreie. Hatten sie das nicht gerade erst erlebt, mitten im Wald, hinter den Weißdornhecken, alles aus nächster Nähe?
Das hier war anders. Ganz anders, das spürte, hörte Jürgen sofort. Wütend klang es, zornig, hasserfüllt. Wieder dumpfe Schläge, dann helles Klatschen, Klirren, Gepolter. Er war doch kein kleines Kind mehr. Bei Kollenz war die Hölle los.


Weiterrennen zu Oma, in die Kühle der verdunkelten Räume? Eine kurze Pause einlegen, jetzt, wo die Hitze langsam ihren Höhepunkt erreichte. Oder einen Blick wagen, hinter Kollenz’ Haus? Was da ablief, was sich da tat bei denen im Garten?
Die Hauswand lag voll in der Sonne. Jürgen kniff die Augen zu, drückte sich an der Wand entlang, wagte einen Blick, sofort zog er den Kopf zurück. Auf dem Gartenweg, neben dem Schuppen, der Hackklotz. Darin steckte die Axt, ein kleines Beil lehnte daneben. Und überall Blut. Wütende Schreie. Was er hörte, musste sich weiter hinten abspielen. Der Schuppen versperrte die Sicht.
Oma konnte warten. Von hinten, vom Wald aus, kamen sie nah genug ran, konnten alles sehn. Wowack und Pirak hatten reichlich überheblich getan. Von wegen, er sei noch ein Zwerg, habe keine Ahnung, was da abging zwischen Armin und Isabell. Was die hinter den Weißdornhecken trieben. Als wenn er das nicht längst wüsste! Er war doch kein kleines Kind mehr.
Nun das hier. Etwas ganz anders. Vielleicht nicht ganz so aufregend wie das mit Armin und Isabella. Aber auch irgendwie spannend, und er hatte es als erster entdeckt. Wowack und Pirak würden Bauklötze staunen, den Hut ziehen vor ihm, wenn er ankam mit seiner Neuigkeit. Mit eigenen Augen würden sie sehen, was bei Kollenz am hellen Mittag los war hinterm Haus.
Jürgen sah es direkt vor sich, konnte es sich vorstellen, ausmalen zu einem fertigen Bild. Sein Lehrer in der Volksschule hatte gesagt, er habe Phantasie, das sei nicht schlecht fürs Gymnasium. Dass Kollenz ein brutaler Schläger war, wusste er längst.
Der olle Kollenz und seine Söhne, drei, vier Jahre älter als er. Der Alte, der nur rumschrie und mit feuerrotem Kopf durch die Gegend lief. Jüppi ahnte, was vor sich ging. Kombinieren konnte er. Wie Sherlock Holmes, der berühmte Detektiv. Oder dieser Kommissar in dem neuen Edgar Wallace Film, von dem das Plakat vor dem Kino hing. Die kriegten auch alles mit, fingen jeden Verbrecher. Jüppi, der Bluthund der Siedlung.
Er rannte zurück in den Busch. Zweige peitschten Gesicht, Arme, die nackten Beine beim blinden Rennen durchs Unterholz. Für phantastische Rehsprünge, geschickte Hüpfer, um Hindernisse zu überwinden oder ihnen auszuweichen, hatte Jürgen keine Zeit. In Kollenz’ Garten passierte etwas, das beinah so aufregend war wie ihre Beobachtung vorhin im Wald. Pirak und Wowack würden Augen machen, wenn er mit der Neuigkeit kam.
Sie würden sich lautlos von hinten, vom Wäldchen aus anschleichen, alles ganz genau beobachten. Zum zweiten Mal an diesem Tag. Es war plötzlich mächtig viel los. Ob es an der Hitze lag?
Im Wald war es still. Kaum merklich, ein leiser Windhauch in den Zweigen.


Los, macht schon. Der olle Kollenz, wisst ihr. Der dauernd rumschreit, seine Söhne verkloppt, Fritze und Walter. Omma sagt, der Olle is komplett gestört, seit er zurück is aussem Krieg, halbverhungert. Nur Lumpen am Leib und einen irren Blick. Und die Frau hatte einen anderen, als er aus der Gefangenschaft kam. Habs zufällig gehört, über so was würde Omma mit mir nicht reden. Aber Sherlock Holmes kriegt alles raus. Spielen soll ich mit den Kollenzbrüdern nich, hat se gemeint. Wär kein Umgang für mich. Weil sie, seit Mama weg ist, allein verantwortlich für mich ist.
Quatsch uns kein Knopp anne Backe, Kurzer! Was interessiert uns deine Omma?


Das Brüllen war von weitem zu hören. Wowack legte den Finger auf die Lippen. Pssst! Sie schlichen hinter die dicken Buchen. Tief gebückt. Hier hatten sie perfekte Deckung und den Garten gut im Blick. Der olle Kollenz saß zurückgelehnt auf seiner wackligen Bank. Neben sich in Reichweite die geflochtene Hundepeitsche. Die leere Flasche glitt ihm aus der Hand, kullerte über die staubtrockene Gartenerde. Kollenz stieß sie zur Seite.
Die Kartoffelhacke lehnte an der Schuppenwand, daneben Mistgabel, Spaten und Schüppe. Der Hackklotz, die Rinde geschält, graugelb das rissige Holz. Im Hauklotz steckte die Axt, daneben lag das kleine Beil. Blutspritzer, kleine Pfützen auf dem Gartenweg. Ein Emailleeimer, aus dem vier, nein sechs Hühnerbeine herausragten, ein Schwanz, ein verdrehter Flügel. Die Kerben auf dem Hackklotz, geronnenes und frisches Blut. Zwischen Klinge und Holz klemmte ein Hühnerkopf. Paar Federn, etwas Flaum.
Im Schatten der Schuppenwand kauerte Walter, hielt sich den Kopf. Das blaukarierte Hemd eingerissen, ein langer Winkelhaken vom Kragen zum Ärmel und quer zu den Knöpfen. Aus dem Mundwinkel lief ein Faden Blut.
Warum kümmert sich keiner?, durchfuhr es Jüppi. Kriegt keiner mit, was hier los ist? Die Frage beantwortete sich von selbst. Alle hatten Türen und Fenster dicht, damit die Bullenhitze draußen blieb. Raus gingen da nur Affen wie sie, weil es sich im Busch immer noch ganz gut aushalten ließ. Jürgen schielte zu Pirak, der in Kollenz’ Garten stierte. Den Mund weit aufgerissen.
Fritze lag flach mitten auf dem Weg, Arme und Beine komisch verrenkt.
Der olle Kollenz griff nach der Peitsche, schob die Hand durch die Schlaufe. Mühsam stemmte er sich hoch, den Kopf tief auf die Brust gesenkt, schwankte er auf Fritze zu. Bückte sich, packte ihn von hinten am Kragen, zog ihn zum Hauklotz. Die Absätze des Jungen schleiften über den Boden, hinterließen eine Spur im Staub. Fritze rührte sich nicht, schlaff hing er im Zwingengriff des Alten. Mit der Fußspitze trat Kollenz die Axt aus dem Klotz, dumpf klirrend landete sie am Pfosten der Wäscheleine. Dann legte er Fritze, das Gesäß nach oben, quer über den Hauklotz, hob die Peitsche.
Plötzlich ging Walter auf die Knie, sprang mit einem Ruck auf, griff die Kartoffelhacke neben sich an der Schuppenwand.


Das machste nich, Vatta! Das nich! Nie mehr!
Walter schrie wie ein Tier, hielt die Hacke umklammert. Sie sahen die Knöchel hervortreten an den schmalen Händen. Er wirbelte sie durch die Luft, stürmte auf den Hauklotz zu. Kollenz riss die Hände hoch, versuchte den Schlägen auszuweichen, wie ein Pendel hing die Hundepeitsche am Handgelenk. Dann sauste die Hacke nieder. Kollenz’ Arme sanken herab, in seinem Gesicht überall Blut.
Jüppi duckte sich weg, schloss eine Sekunde die Augen. Pirak schlug die Hände vors Gesicht, Wowak, weit offen der Mund, biss auf die Zähne, zog die Luft, den Speichel, durch die Ritzen. Pirak schluckte, der Adamsapfel hüpfte, die Hände zuckten.
Nennen mich Kurzer, durchfuhr es Jüppi. Und sind mehr geschockt als ich.
Fritze hob den Kopf, drehte sich, stemmte sich hoch, bekam die Beine auf den Boden. Humpelte zur Schuppenwand, packte den Spaten, kam zurück.
Was Walter gesacht hat, Alter! Nie mehr! Er hob den Spaten. Wir schlagen dich kaputt. Mausetot, Alter!
Jüppi riss die Augen wieder auf, Pirak stieß einen spitzen Schrei aus. Fritze stoppte ruckartig in der Bewegung, warf den Kopf zur Seite, ließ den Spaten sinken.
Walterken, in den Büschen! Hinter dem Mistfall!
Walter und Fritze drehten sich um, starrten zum Waldsaum. Jüppi ließ sich fallen, schob sich hinter Wowack und Pirak her. Bloß nicht gesehen werden! Rückwärts robbten sie zurück.


Der olle Kollenz ist tot. Mausetot. Wurde auch Zeit.
Tot? Erschlagen, Omma? Wie? Erschlagen? Bestimmt…
Erschlagen, Jürgen? Meinste vom Blitz? Gestern beim Gewitter? Jüppi nickte heftig. Ne, Junge, war wohl die Hitze. Herzschlag, Schlaganfall, was weiß ich. So wie der gesoffen hat! Gesund war der schon lange nich mehr. Aber noch kein Alter. Und die Jäuster noch so jung! Na ja, vielleicht besser so, so wie der Kollenz Frau und Blagen dauernd durchgeprügelt hat. Systematisch verkloppt bis aufs Blut. Jedes Mal, egal womit. Wegen nichts und wieder nichts. Einmal musste Schluss sein.
Der Platzregen nach Donner und Blitz hatte Omas Blumen auf der kleinen Rabatte einfach weggehauen. Die Gosse ein breiter Bach, der Asphalt regenfeucht. Dampfschwaden über der Straße, als die Sonne höher stieg.
Vor Kollenz’ Haustür stand Brumberg, der schmierbäuchige Bestatter. Sein nagelneuer, chromblitzender Leichenwagen, Heckflossen hinten. Mit seinem Gehilfen trug Brumberg, schwarzer Anzug wie immer, den labberigen hellen Fichtensarg durch die Pfützen zum Auto. Die Hose mit den scharfen Bügelfalten, leicht fadenscheinig, glänzte.


Es war kühler geworden, der Herbst würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Alles kam irgendwie zu früh. Nächstes Jahr Ostern würde Jürgen die Schule wechseln, sie waren zu zweit in der Klasse, die aufs Gymnasium in der nahen Kreisstadt wechselten. Leise Ängste, ein leises Grauen, beschlichen ihn. Dann war es vorbei mit dem Herumstromern von Morgens bis Abends. Ein halbes Jahr noch, sagte er sich. Egal, man würde sehen, irgendwie würde er klarkommen.
Die letzten Ferientage. Ein einziger Tag hatte ihm gezeigt, wie Leben begann, wie es endete. Die kurze Zeitspanne von einem auf den anderen Augenblick. Das Liebespaar im Zechenwald. Der olle Kollenz, sturzbesoffen, blutend auf der Bank, Fritze auf dem Hauklotz. Der Alte mit der Hundepeitsche, die Kollenzjungen mit Spaten und Kartoffelhacke über ihm. Blut da wie dort.
Irgendwo dazwischen, dämmerte es Jürgen, in den paar krummen Jahren zwischen Zeugung und Tod, spielte sich das Leben ab. Das ganze beschissen wunderbare Leben.


Weihnachten vorbei, ein neues Jahr. Isabellas Bauch würde sich runden, im Frühjahr würde ihr Kind da sein, dann hatte sie anderes zu tun, als sich mit Mackern auf der Lichtung hinter den Weißdornhecken zu treffen. Jürgen würde kaum noch Zeit haben, sein Wäldchen zu durchstreifen und gemeinsam mit den Freunden die unterirdische Bude auszubessern und zu reparieren.
So was wie der Armin machste mir nich, Junge. Versprichs mir, Jürgen, hörsse! Oma sah ihn an. Ernsthaft, besorgt, ein wenig traurig, wie ihm schien. Erst macht er die Isabella dick, dann macht er sich einfach aus dem Staub. Auf und davon. Im Dorf behaupten sie, der Armin wär zur Fremdenlegion. Aus dem Dreck hier noch tiefer in die Scheiße. Oma hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Hab nix gesagt, hast nix gehört, Jürgen. Außerdem, so blöd wird der Armin nich sein. Vielleicht issa nach Berlin. Brauchta nicht zur Bundeswehr.
Jetzt wird se Mutta. Gerade sechzehn, die Isabella. So jung. Wie damals bei deiner. Dauert nich mehr lange, so wie die Kleene aussieht. Ostern isses so weit.
Ein neues Jahr. In der Nacht hatte es gefroren. Raureif auf den Gräsern. Noch lange hin bis zum Frühling. Über das Grab das alten Kollenz war bis dahin längst Gras gewachsen.
Glaub bloß nicht, dass einer Blümkes draufstellt, hatte Oma den Kopf geschüttelt. So wie der Kerl sich benommen hat im Leben. Du hast es bestimmt irgendwie mitgekriegt, Jürgen, auch wenn de immer nur am Spielen bist.
Eines Tages, die Kollenzjäuster waren jünger als du, hat er seine Frau dann krankenhausreif geschlagen. Bleibender Schaden, das arme Dier! Und dauernd die Jäuster verwemst. Immer druff, bis aufs Blut. Wie auf kalt Eisen. Wie oft bin ich hin, hab gedroht und gefleht, er soll es lassen. Sind doch noch Kinder, Kollenz, Wolfgang und Peter, dein eigen Fleisch und But.
Oma sah ihn nachdenklich an. Könnten nen Vatta gebrauchen. Du auch, Jürgen. Nen richtigen, nich son Klopper wie Kollenz. Jetzt issa dot, der Suffkopp. Im nächsten Augenblick vergessen, die Bretterkiste verfault, vom bloßen Hingucken. Obwohl: siehsse ja nich.
Dann hatte Jürgen das Thema auf die neue Schule gelenkt. Wie es wohl werden würde? Keine Ahnung, mein Junge, auf so einem Bretterdingens in der Stadt war damals keiner von uns, hatte Oma gemeint und rasch hinzu gefügt: Ganz so schlimm wirds wohl nicht werden. Junge, du machst das schon.